Der Begriff „Migrationshintergrund“ ist im Alltag und in politischen Debatten oft negativ besetzt. Er wird sehr unterschiedlich definiert. Teilweise lädt er zu einer Differenzierung in „Wir“ und „Anderen“ ein, obwohl er sehr heterogene Bevölkerungsanteile umfasst. Diese Kategorie wird Menschen zugeschrieben seit über 15 Jahren. Ist sie noch zeitgemäß?
Als bremische Verwaltung wollen wir stigmatisierende und verallgemeinernde Begrifflichkeiten vermeiden. Wir wollen die Vielfalt unserer postmigrantische Gesellschaft jedoch sichtbar machen. Migration ist schon lange Alltag in Deutschland. Sie ist ganz normal, sehr wertvoll und ein Reichtum.
Auf Bundes- und Länderebene wird aktuell über alternative Begrifflichkeiten diskutiert. In verschiedenen Bundesländern werden teilweise neue Kategorien verwendet. Als Integrationsreferat ist es uns wichtig, diese Debatte auch mit den Bremer:innen und Bremerhavener:innen zu führen.
Fühlen sie sich durch den Begriff vertreten? Ist er notwendig, um Ungleichheiten zu messen? Oder bezeichnet er sehr unterschiedliche Menschen viel zu allgemein? Wird er als diskriminierend oder gar verletzend wahrgenommen? Sollte er nicht mehr verwendet werden, um die Zugehörigkeit aller Bremer:innen und Bremerhavener:innen zu unseren Städten deutlich zu machen? Oder sollte er beibehalten bleiben, weil er uns nützliche Informationen liefert?
Um eine Diskussion zu diesen Fragen anzustoßen, haben wir von Oktober bis Dezember 2021 eine Meinungsumfrage durchgeführt an der online und per Postkarte an insgesamt 19 Standorten in den Stadtgebieten Bremen und Bremerhaven über 280 Menschen teilgenommen haben. Die Umfrage fand in den Sprachen Deutsch, Türkisch und Englisch statt, Mehrfachantworten waren möglich.
Die Darstellung, die auf der Grundlage der Rückmeldungen erstellt wurde, zeigt, dass die Einschätzungen zu dem Begriff sehr vielfältig sind.
In der Umfrage gab es auch die Möglichkeit anzugeben, ob man selbst mit dem Begriff bezeichnet wird oder nicht. Nahezu gleich viele Teilnehmer:innen der Umfrage gaben an, mit dem Begriff bezeichnet zu werden bzw. nicht mit dem Begriff bezeichnet zu werden. Die Ergebnisse zeigen große Unterschiede in der Wahrnehmung des Begriffs durch die Bremer:innen und Bremerhavener:innen, die selbst damit bezeichnet werden und solchen, die damit nicht konfrontiert sind: So erleben ihn von den Menschen, die mit dem Begriff bezeichnet werden, 41 % als diskriminierend, während der Begriff unter den übrigen nur von 30 % als diskriminierend wahrgenommen wird.
Dies zeigt, wie wichtig in der Diskussion über Begrifflichkeiten auch der Perspektivwechsel und die Berücksichtigung von Stigmatisierungserfahrungen ist.
Auch wenn die Umfrage keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben kann, so zeigt sie doch ein Stimmungsbild auf und die große Bereitschaft der Bremer:innen und Bremerhavener:innen, sich in integrationspolitische Debatten einzubringen. Als Referat werden wir diese Debatte weiter begleiten und auch in Zukunft auf dieser Seite über neue Entwicklungen informieren.
Das Wort Migrationshintergrund bezeichnet Menschen, die selbst oder deren Eltern nicht mit der deutschen Staatsangehörigkeit geboren wurden. Es wurde in Deutschland 2005 durch eine Befragung der Bevölkerung, die Mikrozensus heißt, eingeführt. Mit der Frage nach dem Migrationshintergrund wollen die Forscher:innen Fortschritte bei der Integration messen. Sie wollen auch sichtbarmachen, dass nicht alle Menschen die gleichen Möglichkeiten haben, an der Gesellschaft teilzunehmen, zum Beispiel an Bildung, Arbeit oder Mitbestimmung in der Politik.